TAG 4: 28.07.2002 ||| DIE KUNST, DIE LIEBE UND DAS RAUCHEN

Losung am 28. Juli: „It’s easy to quit smoking. I’ve done it hundreds of times.“ / „Mit dem Rauchen aufzuhören ist kinderleicht. Ich habe es schon hunderte Male geschafft.“ (Samuel Langhorne Clemens aka Mark Twain)

Ich bin einen weiteren Tag in Chalon-sur-Saône.


Es ist Sonntag und die Glocken läuten. Am Vormittag mache ich mich wieder auf den Weg in die Innenstadt und knipse Foto um Foto. Im wunderschönen „Parc Georges Nouelle“ machte ich im Schatten der Bäume Mittagspause, schalte mein Radio ein und lausche Sendern aus der Grafschaft Burgund. Zwar habe ich Kenntnis von der Französischen Sprache, aber die ist nicht wirklich gut, jedenfalls nicht so gut, wie man es annehmen dürfte, wenn man wüsste, dass ich vier Jahre lang meine Französischlehrerin verehrt hatte – vor vielen Jahren, als ich noch nicht so richtig wusste, was lieben heißt. Ärgerlich war, dass diese Frau nicht in mich, dafür in einen anderen Menschen verliebt war und zwar in den Rektor meiner damaligen Schule. So ganz platonisch wie bei mir war diese Liebe dann wohl doch nicht gewesen und zur damaligen Zeit, also zu Beginn der 1970ger Jahre, zog das sogar schulich-disziplinarische Verwerfungem nach sich, jedenfalls als die Ehepartner der Verliebten aktiv wurden („Sind Sie verheiratet?“ „Ja. – Beide.“).

Meine Französischlehrerin wurde versetzt, nachdem sie mich versetzt hatte. Ich in die nächst höhere Klasse, sie in eine andere Stadt und der Rektor ebenso. Und wenn sie nicht gestorben sind und ihre Liebe etwas Großes war, dann sind beide auch später noch zusammen gewesen, wenngleich auch an getrennten Schulen. Man lese hierzu ganz am Ende den Text des – aus meiner bescheidenen Sicht – besten Liebesliedes, dass die Welt jemals gehört hat: „L’hymne à l’amour“, unvergleichlich repräsentiert von Edith Piaf.

„Kop van een skelet met brandende sigaret“ (Vincent van Gogh 1886, Van Gogh Museum Amsterdam)

Jedenfalls höre ich gerade im Radio, dass „…la censure italiene veut priver Bogart de sa cigarette…“. Wie bitte, der Franzose will privat-eye-Humphrey seine „… cigarette…“ wegnehmen oder gar mit einem schwarzen Balken überblenden. Das macht neugierig und ich versuche weiter, den für mich verständlichen Passagen im Radio zu lauschen. „Le ministre italien…“ – aha immerhin nicht die Nachfahren von Kettenrauchern wie Jacques Romain Georges Brel oder Jean-Alexis Moncorgé alias Jean Gabin sind die Auslöser der Misere, das hätte man sich eigentlich auch denken können – plant ein „..banissement total de la cigarette à la télévision…“. Unglaublich. Erstens ist Cinematographie immer Kunst (manchmal zugegebenermaßen schlechte, aber immerhin) und Kunst kann man nicht zensieren und zum anderen: Wo soll das denn enden?

Was ist mit den Morris(!)-Comics von Lucky Luke, der eine Zigarette schneller raucht, als die Daltons eine Bank ausrauben. Ein Bann der Zigarette, das sehen die Franzosen ganz anders. „Vive le cigarette“ heißt es dort: Rettet das – natürlich männliche – Symbol der Freiheit. Lange bevor es Marlboro gab, wahrscheinlich sogar schon zur Französischen Revolution 1889, machten sich der Franzose (und natürlich auch seine Heroine) Mut mit der Glut einer letzten Gauloise oder regten sich beim Rauchen einer ‚cigarette‘ ab. Nicht nur nach der Liebe, aber im besonderen, denn vorher hätte der Nikotingeschmack im Mund wahrscheinlich gestört.

tour de la cathédrale de Chalon-sur-Saône

Sicher macht eine Kampagne zum Nicht-Rauchen Sinn, wenn man sie mit den Gesundheits-Zeitgeist koppelt und – wie geschehen – Sportler und Musiker „No“, „Niente“, „Non“ oder „Nein“ sagen lässt um dem Zuschauer nachher zu erklären, dass es um das Rauchen geht. Die Italiener aber sind immer gleich sehr emotional und wollen alles beim Stumpf ausreisen. Wäre Deutschland gefragt worden, wir hätten wahrscheinlich eine Quote ins Gespräch gebracht, eine Quote von, sagen wir einmal, 6,5 % an Filmen mit Zigarettengenuss, die im Fernsehen noch gezeigt werden dürfen. Und die nötige Kontrolltruppen … entschuldigung … ich meine natürlich: die „Bundeskontrollstelle für Zigarettengenuss im Deutschen Fernsehen/BZDF“, hätten wir gleich mit auf den Weg gegeben inklusive eins neuen EU-Kommisars als Altenteil für einen in Ungnade gefallenen Landespolitiker.

Der DGB hätte langzeitarbeitslose Ex-Raucher zur Besetzung der Stellen gefordert, wegen deren Basiswissen und die CDU mittelständliche Kioskbetreiber, die unter dem allgemeinen Verdruss am Zigarettenmarkt zu leiden haben und dies mit einer Nebentätigkeit kompensieren könnten. Die SPD hätte, nachdem die FDP hierzu ihre Unterstützung versichert, Interessenkonflikte bei deutschen Kioskbetreibern vermutet und statt dessen indische Kettenraucher empfohlen. Und die politische Linke wäre selbstverständlich mit ihrer unvermeidlichen Forderung nach einem Untersuchungsauschuss gekommen, während die Grünen zum Schutz der Tabakpfanzen angetreten wären. Aber zum Glück kam der Vorschlag ja aus Italien.

An die Adresse der Italiener sei gesagt und das weiss ja nun jeder: Es soll auch eine Zigarettenmaffia geben. Und das sind durchweg alles Cineasten, jedenfalls, wenn es um Filme über Al Capone, Lucky Luciano oder Meyer Lansky und den dort weggerauchten Zigarettenberge geht. Eine europäische Lösung ist hier aus meiner Sicht unverzichtbar, nationale Alleingänge bringen da überhaupt nichts. Ich könnte mir Folgendes vorstellen: Während des Filmes wird als Laufschrift mehrfach eingeblendet (…nein, nicht „Wegen der Überlänge der Sportübertragung verschiebt sich der Film ‚Neues über die Fauna der Schildkröteninsel“… sondern) „Warnung! Dieser Film enthält Szenen, die sensible Gemüter verletzen oder gefährden könnten. Der Genuss dieses Filmes kann durchaus gesundheitliche Schäden verursachen! – Die Europäischen Gesundeitsminister.“ – Das wär’s doch.

„L’hymne à l’amour“ (ins Deutsche übersetzt)

Über uns kann der blaue Himmel einstürzen und die Erde unter uns zusammensacken,
Es würde mich nicht interessieren wenn Du mich liebst.
Mir wäre dann sowieso die ganze Welt egal.

Solange die Liebe vom frühen Morgen an meine Tage durchflutet,
Solange mein Körper bebt, wenn deine Händen ihn berühren,
Alle Sorgen wären für mich unwichtig wenn Du mich liebst.

Ich würde bis an das Ende der Welt gehen,
Ich würde mir die Haare blond färben lassen,
Wenn Du es verlangst.

Ich würde dir Sterne vom Himmel holen,
Und alle Schätze der Welt rauben
Wenn Du es verlangen würdest.
Würde für Dich mein Vaterland leugnen,
Würde für Dich alle meine Freunde verleugnen
Wenn Du das verlangst.
Soll man doch ruhig über mich lachen,
Ich würde für Dich alles machen
Wenn Du danach verlangen würdest.

Wenn das Leben Dich eines Tages von mir entreißen würde,
Wenn Du sterben würdest oder weit weg von mir wärst,
Das würde alles für mich ohne Bedeutung sein, wenn du mich liebst
Auch wenn ich dann selber sterben müsste.

Wir würden in alle Ewigkeit leben,
Dort in der unendlichen Weite des blauen Himmels,
Wo wir keine Sorgen hätten.
Glaubst Du nicht mein Lieber, dass wir uns lieben?

Gott vereinigt alle die sich lieben!

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