Losung am 7. August: „Komm wir fahren nach Amsterdam. Ich weiß, dass uns nichts passieren kann.“ (aus einem Songtext von CORA = Cornelia von dem Bottlenberg / Peter Glass / Swetlana Minkow)
Meine Reiseroute (Teil 1): Callantsoog / Amsterdam ...
Früh um sechs Uhr fahre ich los vom Campingplatz Callantsoog Richtung Amsterdam und „de Nederlande“ sind immer noch so klein, dass ich bereits um kurz vor sieben Uhr vor den Toren Amsterdam angekommen bin … auch wenn es dort heutzutage keine Stadttore mehr gibt. Es bleibt mir Zeit genug, einen Rastplatz anzusteuern um ein bisschen „Radio 2“ zu hören und an den „Tausand“-Projekten weiterzuarbeiten. In der Nacht hatte es geregnet, was mit der Bodenfeuchtigkeit zu tun hat oder „… de Unstabiliait van de Atmosphaere …“ (wie es mir der Radiosprecher erklärt), die im Laufe des Tages als Wasserdampf in die Wolken steigt und ab dem späten Nachmittag oder der Nacht hier und da als Regen herunterkommt. – Gut zu wissen.
Aber wenn morgens die Sonne erst einmal aufgegangen ist, dann bleibt es trocken, sagt der Wettermann; heute war das genau in Holland um 6 Uhr 55 der Fall. Man muss also nur abwarten können. Punkt neun Uhr am vierzehnten Tag meiner Reise überschreite ich dann auf vier Rädern die Stadtgrenze von Amsterdam. Als geübter Deutscher, gebildet mit all der Last der Vergangenheit (und aus dieser Geschichte kommen wir so schnell nicht raus), denkt man dabei unwillkürlich an die kleine Annelies Marie aus Frankfurt am Main.
Den „Haus mit Stern“-Mercedes verstaue ich in einem Parkhaus, das sich „EuroParking“ nennt (… ich finde es wirklich grandios, dass man sich in so vielen Ländern auf meine Europareise gefreut und so gut auf meine Ankunft vorbereitet hat …) und mir wird neben einen Stundenpreis von 3 Euro für die Dienstleistung des Autoverwahrens auch noch gratis einen Blick über die Stadt offeriert. Kaum als Währung eingeführt sind 3 Euro in der Tat ein stolzer Stundenpreis und wahrscheinlich ist auch dies ein Grund dafür, dass die Amsterdamer immer noch am liebsten mit ihrem Fahrrad unterwegs sind. Zwar hätte ich mein Hotel mit dem Stern auch vor den Toren der Stadt auf einem „Park&Ride“-Platz abstellen können, aber bei mir gilt die alte Autofahrerregel, dass man „… immer nur soviel im Auto zurücklassen [soll], wie der Dieb tragen kann …“ und da haben Parkhäuser in Citynähe schon ihren Reiz. Schließlich habe ich in meinem Mercedes ja alles, was mir auf dieser Reise lieb und teuer ist.
Die Amsterdamer Grachten sind voller Hausboote und die daran vorbeilaufenden Straßen voller Menschen, denen man sofort ansieht, dass sie entweder Gast-Einwohner in Amsterdam sind oder die Gastgeber. Als ich mit Deutschland telefonieren möchte und mich gerade mit den Tücken eines Kreditkartentelefons befassen muss, geht eine Mitfünfzigerin (die hier so gar nichts mehr mit meiner „Madame Fleury“ aus dem Elsass gemeinsam hat) auf einen neben mir stehenden Gast-Einwohner zu, bietet ihm zwar keine Zigaretten an, erwartet aber von ihm trotzdem eine kleine Spende für ihr knappes Haushaltsgeld.
Mein Telefon-Nachbar, der offenbar die gleichen Probleme mit der Bedienung hat wie ich, gibt ihr jedoch eine klare Ansaget auf Britisch: „Piss off!“. Das wiederum hört das „Meisje Fleury“ gar nicht gerne und lässt im besten Englisch Schimpfkannonaden auf den Mann los, jedenfalls soweit sie das mit ihrem fast zahnlosen Mund zustande bringt. Ich kann die Worte und Sätze hier überhaupt nicht wiedergeben, denn es war so viel Hass darin, dass es mir unmöglich war, alles im Gedächtnis zu behalten. Einen mehrmaligen „Hurensohn“, eins, zwei „Drecksäcke“ und matürlich den obligatorischen „Mothafucka“ bekomme ich im Nachhinein noch zusammen. Mittlerweile hatte der Mann seine telefonische Verbindung zustande gebracht, aber an ein Telefonieren war überhaupt nicht zu denken, denn das Meisje hatte das Szenario akustisch voll im Griff. Ich erahne nur, was man zuhause über den Reisenden gedacht haben wird, vor allen, in welche Drogenhöhle er sich da wohl hineingewagt haben muss. In Amsterdam. Weit weg von der Heimat. Schrecklich!
Im leichten Nieselregen schlendere ich weiter durch die Stadt, vorbei an Coffeeshops, die nach frischen Kräutern duften, an einem Automatenrestaurant vorbei – ohne Bedienung, dafür aber mit an die fünfzig Klappfächern, hinter denen sich frisch frittierte Leckereien verbergen, die fleißige Asiaten von in die Fächer schieben – an dem man von vorn gegen den Einwurf von Münzen das Essen noch fast warm herausnehmen kann. Dem Kulinarischen hatte ich mich in meiner Reisebeschreibung der letzten Tage durchaus verwehrt, denn meine Mahlzeiten bestanden fast nur aus Fast-Food und Dosennahrung. Hier in Amsterdam bieten mir die Automaten nun „kaassoufle“, „satekroket“ und „grillburger“ an, und zwar „… de lekkersste! …“, die man sich vorstellen kann. Ich koste … es ist köstlich … und bin auch schon bedient: Bedankt!
Ich laufe vorbei an Schoko- und Zuckerwarenläden, an Tabakgeschäften in denen man (so wie ich) eine Kiste mit frisch gedrehten „Wilde Havannas“ erstehen kann, an Hippies, die sich in den Parks Amsterdams wie vor 35 Jahren fühlen, obwohl viele von ihnen im Summer of Love noch gar nicht geboren waren, vorbei an Straßenbahnen und Souvenierläden, die die sprichwörtlichen Tulpen aus Amsterdam entweder als Zwiebeln oder als Holzplagiat anbieten. Und natürlich Holzschuhe in allen Varianten und Größen. Aber dann habe ich endlich das Hauptziel meiner heutigen Reise erreicht: Ein Museum ganz allein nur für einen einzigen Mann.