TAG 12: 05.08.2002 / B ||| … TREIBGUT

Losung am 5. August: „I wanna be loved by you, just you and nobody else but you. I wanna be loved by you, alone! Boop-boop-a-doop!“ (Ruby Harry / Kalmar Bert)

Ich bin in Callantsoog, gedanklich bewege ich mich jetzt aber in die USA, genauer gesagt nach Los Angeles.


„Blue Mariliyn“ © 2002 by John Burgess

Während ich am Abend des 5. August am Strand von Groote Keeten mein Aufnahmegerät platziert habe und Kunstkopf-Stereoaufnahmen mache, habe ich Zeit im feuchten Sand an der Brandung entlang zu laufen und mir das angeschwemmte Strandgut und das Treibgut in der Brandung anzuschauen. Taureste, Plastikstreifen, Holzfragmente, Meertang und andere maritime Überbleibsel – vielleicht sind auch einige Wrackteile dabei. Der Engländer nennt es Flotsam und Jetsam und ich erinnere mich an einen Titel von Peter Gabriel, in dem es genau darum geht.

In seinem Song umschreibt Gabriel gekonnt meisterhaft die Dinge, ohne sie direkt anzusprechen. Es ist davon die Rede, dass sich etwas Hässliches zeigen wird, wenn die Ebbe kommt, davon dass seine Liebste beunruhigt wäre, wenn er sie nur berühren könnte, aber nur insoweit, wie der Wind das Segel berühren kann, hauchzart. Aber selbst das ist dem Protagonisten in „Flotsam and Jetsam“ nicht möglich. Übersetzt: „Das Treibgut ging über Bord und treibt nun als Strandgut langsam heran. Meine Liebe, wir beide wissen, dass hier nichts so ist, wie es scheint.“ Also bleibt dem Protagonisten nur dieses Lied, um SIE zu warnen. – Das führt meine Gedanken an diesem Tag um Jahrzehnte zurück.

Am 05. August 1962 wurde in den USA der leblose Körper einer Frau aufgefunden, der fast schon ein öffentlicher Körper gewesen war. Sexgöttin nannte man sie, außen Vamp und innen das ewige Kind, die blonde Venus, das blonde Dummchen. Allerdings gewinnt man mit diesen falschen Attributen nicht einen Zentimeter Land auf der „terra incognita“ dieser Frau, die in Wirklichkeit einen hohen Intelligenzquotienten gehabt haben soll. – War es Mord oder Selbstmord? Für beide Thesen gibt es genügend Gründe zur Annahme. Und jede Antwort wirft noch mehr Fragen auf.

Norma Jean Baker aka Marilyn Monroe – Foto © Silver Screen Archive, presented in public at the Swann Gallery

Wurde sie erpresst, weil sie als fast noch Jugendliche in einem Pornofilm mitgespielt hat? War sie als Geliebte des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika nur ein Spielball oder schon ein Sicherheitsrisiko geworden? Oder war sie einfach nur unglücklich? Als Mensch, als Frau, als Schauspielerin?

Blond war sie nicht immer gewesen. Damals, in ihrem ersten Leben als Norma Jeane Mortensen, Taufname Baker, Jahrgang 1926, hatte sie ein sehr schönes Nussbraun als Haarfarbe. Mit 16 heiratete sie einen Flugzeugmechaniker, wohl um aus der Tristesse ihres Elternhauses zu fliehen. Später dann, als Star, heiratet sie noch zwei weitere Male und zwar einen amerikanischen Baseball-Volkshelden und einen berühmten Schriftsteller. Stets ohne Glück in der Liebe zu finden.

Dem Wunsch eine beliebte Schauspielerin zu werden, folgt bald die Ernüchterung, dass dies als realer Mensch nicht zu schaffen ist. Aus Norma Jeane wird Marilyn und aus Frau Baker wird DIE Monroe. Auch die Haare ändert sie von nussbraun in blond; ihr Image folgt von artig und brav in dumm-lasziv und erotisch. Obwohl sie ihr weiteres Leben fast schon als Wanderpokal im Babel Hollywood sieht, glaubt diese Frau dennoch fest daran, dass sie ihr Glück machen wird, auch wenn sie sich mit Hilfe ihres Körpers nach oben kämpfen muss.

The late Miss Monroe sings for the 35th President of the United States

Und – bitte nicht vergessen, dies ist Hollywood – das Unfassbare geschieht: Aus der Raupe Norma Jeane wird über Nacht der glitzernde Star. Und das brave Mädchen aus der Provinz spielt seine Glamour-Rolle perfekt, macht die Männer massenhaft verrückt und die Hersteller von Wasserstoffsuperoxyd reich. Hollywood buhlt um ein weibliches Wesen, das man Monate zuvor wie eine Bittstellerin abgewiesen hatte. Hinreißend spielt sie in Komödien ihre Rolle, gibt all ihr Talent, wenn sie singt, ist das erste Playmate des ersten PLAYBOY-Heftes.

Doch diese Frau ist nicht so dumm, wie alle sie sehen. Marilyn will ins seriöse Fach und alle lachen über ihren neuesten Scherz. Bald erscheint sie nüchterner und pünktlicher bei ihren Therapeuten als am Set ihrer Filme. Wieder gibt sie alles, doch Hollywodd ist irritiert. Braucht man „so“ eine Marilyn? Warum will sie aus ihrer erotischen Sparte ausbrechen? Die Sache eskaliert. Im Sommer vor vierzig Jahren erlebt Marilyn eine Enttäuschung nach der anderen.

Die Tragik beginnt als sie am 19. Mai 1962 „ihrem“ Präsidenten – dem sie im Verborgen alles gegeben hatte: ihre Liebe, ihren Körper, ihre Seele – im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit ein privat-intimes Geburtstagsständchen singt, wie es die Welt noch nicht erlebt hat. In einem Kleid, wie es die Welt noch nicht erlebt hatte. Und vor allem, wie sie singt und was sie dabei nicht singt ist entscheidend. Des Präsidenten Ehefrau ist schockiert und Kennedys Berater raten ihm dringend ab „diese Frau“ noch einmal zu treffen. Die Sache sei viel zu heiß für ihn, Monroe habe das Potential, ihn zu ruinieren. Dabei hatte „diese Frau“ das in Wirklichkeit niemals vor. Trotzdem: JFK zieht die Notbremse.

Norma Jeane ist am Boden zerstört, ist schon wieder sitzen gelassen worden, ausgenutzt und dann weggeworfen. Und sie hat urplötzlich auch in Hollywood Probleme. Ihr lezter Film kommt nicht richtig voran. Das Leban wird immer depremierender für sie. Drei Monate später wirft sie es dann weg, so wie man sie einfahc hatte fallen lassen. Am 04. August 1962. Einen Tag später findet der Gerichtsmediziner viel zu viel Schlaftabletten und Alkohol in ihrem schönen Körper. „Goodbye Norma Jeane…“, sang einmal ein anderes Pseudonyn über sie: „Loneliness was tough, the toughest role you ever played“. Noch heute rauben mir einige von Taupins Texten unvermittelt den Atem und lassen Tränen fließen, wenn ich an die Zusammenhänge denke: besser hätte man die Tragik im Leben der Norma Jeane Baker nicht auf den Punkt bringen können. „And it seems to me you lived your life like a candle in the wind…“ Und dazu hatte Marilyn sogar das Streichholz stets selbst angezündet und sich am Ende daran die schönen Finger verbrannt.

Weshalb blies sie es nicht aus, als noch die Zeit dazu gewesen wäre? Vielleicht, weil sie dann für immer nur Norma Jeane geblieben wäre: Norma Jeane Mortensen-Baker-Dougherty-DiMaggio-Miller – eine recht gewöhnliche Frau. Und das wollte sie schließlich niemals wieder sein. Dann lieber als Legende sterben, die man vielleicht noch nach Jahrzehnten kennt und verehrt. „Your candle burned out long before your legend ever did…“ oder wie The late Miss Monroe es singen würde:

„I wanna be loved by you, just you and nobody else but you.
I wanna be loved by you alone. Paah-deeedle-eedeedle-eedeedle-eedum,
Poo pooo beee dooo!“ – AUS!

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